PDA Checkliste für Erwachsene

Dieses Dokument stellt eine Anpassung für Erwachsene der PDA Checkliste von Dr. med. N. Chou-Knecht, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, dar. In ihrer ursprünglichen Form fasst die PDA Checkliste die Hauptmerkmale der PDA sowie der häufig in der Anamnese zu findenden besonderen Themen bei PDA dar und stützt sich auf den diagnostischen Leitfaden der PDA Society1, den Extreme Demand Avoidance Questionnaire2 (EDA-Q) sowie einen persönlichen Austausch mit Ph.D. Casey Ehrlich3 . Die Checkliste stellt kein evaluiertes Diagnoseinstrument dar, sondern soll ein klinisches Interview bei Verdacht auf ein PDA-Profil unterstützen. Für die Diagnose eines PDA-Profils müssen ebenfalls die diagnostischen Kriterien für eine Autismus-Spektrum-Störung gemäß ICD-11/DSM-5 erfüllt sein. Das Urheberrecht dieser Checkliste liegt bei Dr. med. N. Chou-Knecht, Schweiz. Das hier vorliegende Dokument wurde von Anja Broekhuis-Wölfle für das PDA-Profil bei Erwachsenen angepasst und durch Dr. med. N. Chou-Knecht genehmigt. 

Bitte umkreisen Sie die Punkte, welche für die untersuchte Person zutreffen:

1. Widersetzt sich oder umgeht gewöhnliche Anforderungen des Alltags und Bitten

  • Empfindet alltägliche/ gewöhnliche Anforderungen (z.B. Anziehen, Essen, sich waschen, Betriebsausflug, Arzttermine, Behördengänge) als unerträglich stressig.
  • Tut sich schwer damit, Anforderungen nachzukommen, wenn diese nicht pda-entsprechend vorsichtig präsentiert werden. (z.B. „Frau Müller, bringen Sie doch bitte noch den Müll raus“).
  • Die Anforderungen werden in der Regel einfach deshalb vermieden, weil es sich um Anforderungen handelt und nicht, weil die Tätigkeit als solche unangenehm ist.
  • Auch eigentlich gewollte Tätigkeiten oder Grundbedürfnisse werden vermieden.
  • Vermeidet Tätigkeiten auch, wenn sich die Vermeidung zu seinem/ihrem Nachteil auswirkt. (z.B. wichtige Arzttermine)
  • Als Grund für die Vermeidung kann Angst bzw. ein damit verbundenes Kontrollbedürfnis erkannt werden.
  • Hört nicht gerne, dass er/sie etwas gut gemacht hat (Lob).
  • War als Baby passiv und anstrengend, wenn man versucht hat, sich mit ihr/ihm zu beschäftigen.

2. Verwendet soziale Strategien als Mittel der Vermeidung

  • Verwendet eine Vielzahl von Strategien, z.B. durch Ablenkung, Hinauszögern, Ablehnung, Drohung, Rollenspiele, Rückzug in die Phantasie, Übernahme der Kontrolle (z.B. gibt die Aufgabe an andere weiter; Verteilt Anweisungen) oder komplizierte Ausreden (Beispiele: klagt krank zu sein; fühlt sich körperlich nicht in der Lage; die Aufgabe sei zu schwer, wird nicht verstanden), fadenscheinige Lügen.
  • Wenn die gewählten sozialen Strategien nicht zum Ziel führen, sich die Person in die Enge getrieben fühlt oder Druck auf die Person ausgeübt wird, kann es zu einer raschen Eskalation kommen – dies bis hin zu Panikreaktionen, Weglaufen, sich Einschließen, Aggression, Meltdown (Schreien, Wutanfall, Schlagen, Treten), Shutdown oder Selbstverletzung.
  • Legt zum Teil ungeheuerliches oder schockierendes Verhalten an den Tag, um sich vor etwas zu drücken.
  • Versucht immer bessere Konditionen (für sich selbst) auszuhandeln.
  • Benutzt andere als „mechanische Hilfsmittel“ (z.B. schickt eine Kollegin vor, um etwas nicht selbst tun zu müssen).
  • Versucht bei einem Verlust von Autonomie, das Gefühl der „Gleichberechtigung“ mit unterschiedlichen Strategien wieder herzustellen.
  • Lügt, betrügt (z.B. ist unehrlich oder flunkert andere an, um zu seinen Interessen zu kommen), stiehlt, sabotiert.

3. Verfügt oberflächlich über gute soziale Fähigkeiten, aber es fehlt an Tiefe im sozialen Verständnis

  • Es ist eine gute Redegewandtheit mit ausdrucksstarkem Wortschatz vorhanden, die Verarbeitung der verbalen Kommunikation ist jedoch weniger gut ausgebildet.
  • Verwendet einerseits selbst ausdrucksstarke Fragen, verarbeitet andererseits aber die Antworten nicht oder wartet diese erst gar nicht ab.
  • Oberflächlich kontaktfreudig, aber oftmals Mangel an Verständnis für soziale Identität, Stolz, Scham.
  • Kann situationsabhängig gesprächig, charmant und extrovertiert sein oder eher introvertiert und darauf bedacht, keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken (nicht auffallen wollen).
  • Unangemessene Kontaktfreudigkeit (schnelle, für Außenstehende unerklärliche Veränderungen).
  • Zum Teil wirkt das Auftreten herrisch und dominierend.
  • Hat Schwierigkeiten, soziale Hierarchien zu erkennen oder zu akzeptieren. Scheint keinen Unterschied zu sehen zwischen sich selbst und Autoritätspersonen (z.B. Vorgesetztem, Polizisten).
  • Kann bestimmend und dominierend sein, dadurch dass sie/ er anderen sagt, wie sie sich zu verhalten haben. Sie/ Er glaubt aber nicht, dass diese Regeln auch für sie/ ihn selbst gelten.
  • Kann soziale Interaktionen imitieren und kopieren, um sich anzupassen/ nicht aufzufallen (Masking).
  • Der Umgang kann sich starr und unflexibel gestalten, besonders, weil der Eindruck entsteht, dass die Bedürfnisse der Person die Situation kontrollieren. (z.B. es wird nur das gemacht, was die Person möchte/ braucht).
  • Soziale Interaktionen müssen unter ihren/ seinen Bedingungen stattfinden.
  • In den ersten Lebensjahren hat eine auf fehlender Motivation bestehende Sprachentwicklungsverzögerung bestanden (wollte nicht sprechen), welche danach später schnell aufgeholt wurde.
  • Möchte/ muss unbedingt die Kontrolle über die Situation behalten (möchte bestimmen).
  • Zeigt kaum / keine Anzeichen von Scham oder Verlegenheit in der Öffentlichkeit (z.B. ist ihr/ihm nicht peinlich in der Öffentlichkeit zu schreien oder einen Wutanfall zu bekommen).
  • Leugnet oder streitet Fehlverhalten ab (findet sofort Ausreden dafür), auch wenn sie/er auf „frischer Tat“ ertappt wurde.
  • Schiebt Schuld auf andere Personen oder auf andere Umstände (z.B. was kann ich dafür, wenn das kaputt geht, das war sowieso schon vorher kaputt).
  • Bemüht sich nicht, in einer Gruppe oder sozialen Gefügen (z.B. Nachbarschaft) einen guten Ruf zu wahren/ zu behalten.
  • Häufige soziale Konflikte oder Missverständnisse (z.B. auch mit Lehrern, Behörden, Kollegen).

4. Erlebt exzessive Stimmungsschwankungen und Impulsivität

  • Die Stimmungsschwankungen werden durch scheinbar kleine Auslöser (z.B. etwas das jemand sagt oder im Radio gehört wird) oder alltägliche Ereignisse ausgelöst, insbesondere wenn die aktuelle Toleranz niedrig oder sich schon Stress angesammelt hat. Die Stimmung schlägt schnell und auch gravierend um (z.B. von gerade noch fröhlich und voller Vorfreude zu deprimiert unmotiviert innerhalb eines kleinen Augenblicks)
  • Sie/ Er scheint, „von innen“ heraus abgelenkt zu werden.
  • Mitmenschen haben oft das Gefühl, „auf Eierschalen laufen“ zu müssen, um keinen Stimmungswechsel auszulösen.
  • Reagiert bei Stimmungsschwankungen entweder stark externalisierend oder internalisierend.
  • Während der Stimmungsschwankung kann die Kontrolle verloren gehen, so dass das Verhalten von einer Angst- oder Fight-Flight-Freeze-Reaktion geleitet wird.
  • Ist auf die volle und uneingeschränkte Aufmerksamkeit durch sich selbst angewiesen (z.B. will keine Hilfe und lässt sich von niemandem helfen oder unterstützen – braucht die alleinige Kontrolle der aktuellen Situation) oder braucht die uneingeschränkte Aufmerksamkeit einer festen Bezugsperson im Sinne einer Co-Regulation.

5. „Zwanghaftes Verhalten“, das sich auch auf andere Menschen bezieht

  • Kann andere gut dazu bringen, Dinge so zu tun, wie sie/ er es möchte.
  • Hat eher weniger Spezialinteressen (als beim „klassischen Autismus“), welche auch nicht so lange dauern bzw. immer wieder wechseln. Kennt sich jedoch in diesen Themen weit genauer und mehr aus als gewöhnlich.
  • Kann von einer anderen Person (auch Freunde/Geschwister) fasziniert sein und versucht diese zu kopieren aber auch zu kontrollieren (z.B. diese Person soll genau so bleiben, wie sie/ er es sich vorstellt).
  • Beschuldigt andere oder hat es auf eine bestimmte Person abgesehen.
  • Das zwanghafte Verhalten führt zu einer extremen Anhänglichkeit /Abhängigkeit und zu Kontrollverhalten oft in Bezug auf den Partner, die eigenen Eltern (hier meist die Mutter), andere nahestehende Bezugsperson.
  • Weiß ganz genau, was er/sie tun oder sagen muss, um bestimmte Leute aufzuregen.
  • Strenge Routinen und visuellen Zeitpläne, welche bei anderen Formen des ASS hilfreich sein können, sind meist nicht wirksam/ hilfreich und führen die Person eher noch mehr in die Vermeidung oder führen sogar zu Eskalationen und Ausbrüchen.

6. Scheint sich im Rollenspiel oder beim „So-tun-als-ob“ wohlzufühlen

  • Schlüpft gern in andere Rollen oder Charaktere (aus dem realen Leben oder fiktiv) und „lebt sie aus“ (z.B. Cosplayer).
  • Erfindet Fantasiewelten oder Spiele, die sie/er auslebt (z.B. im privaten Bereich)
  • Zieht es vor, mit anderen in einer angenommenen Rolle (oder durch Hilfsmittel/Spielzeug) zu kommunizieren.

7. Weitere charakteristische Merkmale oder Themen in der Anamnese (Lebenslauf)

  • Maskiert bewusst oder unbewusst in verschiedenen Settings, dies eventuell nur für gewisse Zeit, d.h. sie/ er kann sich also in verschiedenen Umgebungen, oberflächlich gesehen, ganz unterschiedlich präsentieren.
  • Das Masking hat zu Missverständnissen oder sogar Schuldzuweisungen zwischen anderen Personen (z.B. unter Kollegen) oder Bezugspersonen (z.B. zwischen den Kindern und dem Partner) geführt oder es wurde von den anderen Personen der Verdacht geäußert, dass die Vermeidung von ihr/ihm ganz bewusst gewählt wurde.
  • Das Masking hat dazu geführt, dass bei der Bezugsperson der Verdacht auf ein Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom (jemandem eine Krankheit andichten wollen) gestellt wurde.
  • In der Kindheit haben sich traditionelle Erziehungsansätze (Lob/Grenzsetzung/Belohnung/Konsequenzen) oder andere bei Autismus angewandte Strategien (Konsistenz/Struktur/visuelle Zeitpläne) als unwirksam gezeigt oder sogar zu Eskalationen mit den Eltern/ Bezugspersonen geführt.
  • Wenn die Bezugspersonen PDA-Strategien kennen und anwenden, führt dies zu einer Entspannung und Anforderungen können besser bewältigt werden.
  • Es besteht eine Liste verschiedener Diagnosen („Diagnosenkatalog“) oder es bestehen keine Diagnosen, dennoch wirkt das Verhalten unverständlich oder verwirrend.
  • Es besteht eine Diagnose oder Autismus-Spektrums-Diagnose, welche aber nicht „ganz passt“ oder die Person hat die Kriterien einer ASS-Diagnose nicht voll erfüllt (knapp unter dem Cutoff).
  • Es besteht eine AD(H)S-Diagnose, die die ASS-Züge überschattet.
  • Es besteht eine Vorgeschichte (in Kindheit und Jugend) mit regelmäßigem Schulausschluss (z.B. musste abgeholt werden) oder wiederholter Schulverweigerung. (Un)entschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz, mehrfache Krankmeldungen.
  • In der Vergangenheit wurden viele Termine (unentschuldigt) nicht wahrgenommen.
  • Den Eltern wurde ein von Außenstehenden Versagen in der Erziehung vorgeworfen oder ein unkonventioneller Erziehungsstil und/oder die Eltern litten unter Selbstzweifeln in Bezug auf ihre Erziehungskompetenz.
  • Es besteht eine Geschichte mit langen stationären Aufenthalten oder vielen Psychologenterminen, die „nichts brachten“ oder das eigene Erleben noch schlimmer machten.
  • Es besteht ein kompliziertes, verwirrendes Erscheinungsbild und die Person befindet sich langjährig in einer Einrichtung für Psychisch Kranke oder eventuell sogar im Strafvollzug.

1 Multidisciplinary group of professionals working in the NHS and private practice, PDA Society (2022) Identifying & Assessing a PDA profile – Practice Guidance
2 O’Nions et al (2014) Development of the ‚Extreme Demand Avoidance Questionnaire‘ (EDA-Q): Preliminary observations on a trait measure for Pathological Demand Avoidance. The Journal of Child Psychology and P ychiatry.
3 Casey Ehrlich, Ph.D. (political scientist specializing in research methodology) Founder, At Peace Parents, LLC and co-founder of „PDA Parents“ podcast. Michigan, USA.
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